»Zusammenhalt wie bei Asterix und Obelix«
Giessener Allgemeine
Bericht von Vincent Renken, 11.11.2021
(vre). Es gibt nicht viele Vereine, die mehr Mitglieder haben als der Ort, in dem sie ansässig sind, Einwohner hat. Gerade kleine Dorfvereine müssen in der heutigen Zeit immer häufiger mit Nachbarclubs fusionieren und zusammengelegt werden, da sie zu wenig Mitglieder haben oder es an Nachwuchs mangelt.
Nicht jedoch in Vollnkirchen, dem kleinsten Ortsteil der Gemeinde Hüttenberg. Der Ort zählt gerade einmal knapp 420 Einwohner. Dem heimischen Sportverein, TuS Vollnkirchen, gehören jedoch 573 Mitglieder an. Eine Zahl, die auf den ersten Blick überrascht, auf den zweiten jedoch von einer hervorragenden Klubarbeit zeugt. Der Verein bietet neben dem Handball als größte Abteilung auch eine aktive Freizeitgestaltung mit Radsport, Linedance und Nordic Walking sowie Gymnastikgruppen, Eltern-Kind-Turnen und Kinderturnen an.
Doch wie kommt es, dass der TuS so viele Mitglieder zu verzeichnen hat? »Das hat sich stetig entwickelt. Ich denke, da spielt unsere Vereinsphilosophie auch eine entscheidende Rolle. Wir sind wie eine große Familie, in der alle ins Vereinsleben und die Gemeinschaft eingebunden sind. Durch diese dörfliche Struktur schaffen wir es, dass die Leute zu uns kommen, sich hier wohlfühlen und auch bleiben«, freut sich Clemens Ruppert, 1. Vorsitzender der Vollkirchener über die große Mitgliederzahl.
Dass es dabei, trotz eines vorhandenen Sportplatzes, keine Fußballabteilung gibt, erklärt sich Ruppert aus dem historischen Zusammenhang: »Vor dem Krieg gab es mal eine Faustballmannschaft. In den 60er Jahren ist kurz vor der Vereinsgründung der Handball hier dann aufgekommen. Der Fußball hat sich wohl einfach nicht durchgesetzt.« Dabei wird vor allem auf die Jugendarbeit im Verein großer Wert gelegt. Knapp 47 Prozent der Mitglieder sind bis 26 Jahre alt, über 60 Prozent haben die 40 Jahre noch nicht erreicht. Zudem wurde bereits Mitte der 1990er die Eigenständigkeit der Jugend in die Satzung mit aufgenommen. Neben zahlreichen Veranstaltungen wie Kirmes, Handballcamps und -turnieren werden auch regelmäßige Jugendfahrten mit Schwimmbad- und Sommerrodelbahn-Besuchen angeboten. »Unsere Jugendabteilung hat auch einen eigenen Vorstand, der sich selbst verwaltet und im Hauptvorstand auch stimmberechtigt ist«, berichtet der Vorsitzende.
Neben dem ehrenamtlichen Engagement der Trainer werden beim TuS auch keine Spielergehälter gezahlt. »Das ist auch Teil unserer Philosophie. Damit sind wir bisher ganz gut gefahren. Für unsere beiden Handball-Teams peilen wir generell die Bezirksoberliga an. Würden wir Gehälter zahlen, könnten wir wohl auch etwas höher spielen, aber wir wollen im Rahmen des Möglichen bleiben«, so Ruppert weiter. Dass die Jugendförderung auch ohne viel Geld vorangetrieben werden kann, zeigen dabei die weibliche B- und C-Jugend, die aktuell die Qualigruppen zur Hessenliga spielen. »Das ist in unserer Vereinsgeschichte fast schon einmalig und auch eine neue Erfahrung.«
Von ihren Nachbarn werden die Vollnkirchener oft auch als »Gallisches Dorf Mittelhessens« bezeichnet. Diese Benennung kommt nicht von ungefähr, steht der Verein doch seit jeher im Schatten des »großen« TV Hüttenberg. »Die Bezeichnung spiegelt auch so ein wenig wider, wie wir uns fühlen. Es ist eine Verbundenheit und ein Zusammenhalt wie bei Asterix und Obelix. Damit können wir uns ganz gut identifizieren. Und wir wollen uns auch gegen die ›Großen‹ hier im Kreis ein bisschen wehren«, erklärt Ruppert die Bedeutung der Bezeichnung.
Beim TuS Vollnkirchen geht es nicht darum, Titel in Serie zu gewinnen. Vielmehr wird auf eine familiäre Struktur und das gemeinschaftliche Miteinander gesetzt - und auch darauf Wert gelegt, dass sich die Mitglieder wohlfühlen. In der heutigen Zeit ist dies keine Selbstverständlichkeit mehr.